Wie Delta und JetBlue das Fliegen neu erfinden

Fliegen war früher langweilig – heute ist es Binge-Time über den Wolken
Wer sich noch an die frühen 2000er erinnert, weiß, wie das war: Der Bordfilm lief auf einem flimmernden Monitor, der irgendwo zwischen zwei Gepäckfächern hing. Man konnte ihn weder wirklich sehen noch hören – und meistens war es ein Film, den man ohnehin nie freiwillig ausgewählt hätte. Dazu das Summen der Triebwerke, ein Päckchen Erdnüsse und das Gefühl: „Naja, Hauptsache, wir kommen an.“
Heute sieht das ganz anders aus.
Delta Air Lines und JetBlue haben aus dem Flugerlebnis eine kleine Bühne für das gemacht, was viele am Boden ohnehin am liebsten tun: Serien schauen, Musik hören, Inhalte streamen.
Mit kostenlosen WLAN-Angeboten, personalisierten Unterhaltungssystemen und Kooperationen mit Streaming-Giganten verwandeln sie die Kabine in ein Wohnzimmer auf 30.000 Fuß Höhe.
Fliegen war selten so kurzweilig – und das hat weit mehr mit moderner Technik zu tun, als man denkt.
Von der Bordleinwand zum persönlichen Streaming-Erlebnis
Die Geschichte des Bord-Entertainments ist eine Geschichte technischer Evolution – und ein Spiegel dafür, wie stark sich das Reisen verändert hat.
In den 1960er-Jahren begann es ganz bescheiden: Ein Projektor im Gang, ein Film für alle, Kopfhörer mit zwei Metallstiften. Wer das Pech hatte, am Fenster zu sitzen, sah meistens nur die Reflexion der Sonne auf der Leinwand. Doch damals war das schon Fortschritt – Unterhaltung in der Luft!
In den 1990ern kamen die ersten Bildschirme in den Sitzlehnen. Plötzlich konnte man aus mehreren Filmen wählen, später sogar Spiele spielen. Airlines wie Emirates oder Singapore Airlines investierten früh in große Systeme – sie wussten, dass Entertainment an Bord ein Wettbewerbsfaktor war.
Heute, 30 Jahre später, ist das In-Flight-Entertainment (kurz: IFE) nicht mehr nur eine nette Beigabe. Es ist ein zentraler Bestandteil der Markenidentität.
Passagiere erwarten Auswahl, Qualität, und – ganz wichtig – Konnektivität. Denn was bringt der schönste Bildschirm, wenn er keine Verbindung zur Welt hat?
Delta & JetBlue – Die Vorreiter des modernen Flugerlebnisses
Delta und JetBlue gehören in den USA zu den Airlines, die den Wandel nicht nur mitgemacht, sondern maßgeblich geprägt haben – auf unterschiedliche Weise.
JetBlue positionierte sich schon früh als „Tech-Airline“. Bereits 2013 führte sie ihr kostenloses Highspeed-WLAN „Fly-Fi“ ein – zu einer Zeit, in der andere Gesellschaften noch stolz auf 9,99-Dollar-Tarife für eine Stunde Schneckentempo-Internet waren. JetBlue machte aus Streaming an Bord kein Luxusprodukt, sondern ein demokratisches Erlebnis: Jeder darf schauen, hören, teilen – ohne Aufpreis.
Delta Air Lines dagegen setzte lange auf das klassische Premium-Erlebnis. Doch in den letzten Jahren hat auch sie ihr digitales Profil massiv geschärft.
Seit 2023 bietet Delta kostenloses High-Speed-WLAN für alle SkyMiles-Mitglieder, in Kooperation mit T-Mobile. Das war ein Paukenschlag – und ein klares Signal: Delta will das Reisen nicht nur angenehmer, sondern smarter machen.
Beide Airlines verfolgen also die gleiche Mission, nur auf unterschiedlichem Weg:
Fliegen soll sich nicht wie Transport anfühlen, sondern wie ein Erlebnis.
Streaming auf 30.000 Fuß – Technik, Partnerschaften und Komfort
Was nach Zauberei klingt, ist in Wahrheit ein hochkomplexes Zusammenspiel aus Technik, Satellitenverbindungen und cleverer Software.
Jedes moderne Flugzeug ist heute mit einem Bordserver ausgestattet, der Inhalte lokal speichert – Filme, Serien, Musik, Spiele. Über das Bordnetz können sich die Passagiere entweder mit ihrem Sitzbildschirm oder über ihr eigenes Gerät (Laptop, Tablet, Smartphone) verbinden.
Diese sogenannte BYOD-Lösung („Bring Your Own Device“) ist leicht, flexibel und nachhaltig, weil weniger Hardware im Flugzeug verbaut werden muss.
Doch das reicht nicht. Streaming lebt von Aktualität – und die kommt über das Internet.
Hier haben Delta und JetBlue neue Standards gesetzt:
- JetBlue Fly-Fi nutzt Ka-Band-Satelliten, um hohe Datenraten zu erreichen, die sogar Videostreaming erlauben.
- Delta x T-Mobile sorgt für stabile Verbindungen in über 1.200 Flugzeugen – kostenlos.
Und dann sind da noch die Kooperationen mit Streamingdiensten:
Paramount+, Disney+, Spotify, Amazon Prime Video – viele Airlines bieten mittlerweile eigene Portale an, über die Passagiere ihre Accounts verbinden oder exklusive Inhalte abrufen können. JetBlue ging hier besonders früh voran, als sie 2015 eine Partnerschaft mit Amazon Prime startete.
Kurz gesagt: Was früher „Bordprogramm“ hieß, ist heute ein personalisiertes Medienuniversum, das sich ständig aktualisiert – und das mitten im Himmel.
Die Pandemie als Beschleuniger der digitalen Kabine
Die Corona-Pandemie hat viele Branchen in die Knie gezwungen, aber auch Innovationen beschleunigt – besonders im Luftverkehr.
Plötzlich mussten Airlines kontaktlos, hygienisch und digital werden. Das betraf nicht nur das Boarding, sondern auch das Entertainment.
Bildschirme wurden seltener berührt, QR-Codes ersetzten Menüs, und viele Airlines integrierten Entertainment-Funktionen in ihre Apps.
Man konnte Filme auf dem eigenen Smartphone starten, statt auf einem gemeinsamen Monitor.
Delta nutzte diese Zeit, um die Systeme zu modernisieren – neue Sitzmonitore mit 4K-Auflösung, Bluetooth-Konnektivität, individuell steuerbare Helligkeit. JetBlue setzte auf noch schnellere Internetverbindungen und verbesserte Streamingqualität.
Die Pandemie veränderte nicht nur die Hygiene, sondern auch das Verhalten:
Menschen brachten ihre eigenen Geräte mit, luden Inhalte vor, und schätzten die Kontrolle über ihre Umgebung.
Was als Notlösung begann, wurde zum neuen Standard.
Personalisierung & Daten – Das Netflix-Prinzip über den Wolken
Wer heute in eine Delta- oder JetBlue-Maschine steigt, erlebt etwas, das an Netflix erinnert:
Das System merkt sich, was man zuletzt geschaut hat, zeigt Vorschläge basierend auf dem Profil, und bietet Inhalte in der bevorzugten Sprache an.
Airlines haben erkannt, dass Daten der Schlüssel zum Komfort sind.
Nicht im Sinne von Überwachung – sondern um das Erlebnis individueller zu gestalten.
Das nennt sich „Passenger Experience Design“: Die Reise wird auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt.
Ein Beispiel:
Delta testet IFE-Systeme, die beim Login mit der Vielfliegernummer automatisch die bevorzugte Sprache, Untertitel und Playlists laden. JetBlue bietet ähnliche Personalisierung über ihre App.
Der Vorteil? Man fühlt sich verstanden – nicht wie einer von Hunderten, sondern wie ein Gast mit Namen.
Natürlich bringt das auch Fragen mit sich: Wie sicher sind diese Daten? Wer speichert sie?
Die meisten Airlines versprechen, Informationen nur temporär zu nutzen. Doch eines ist klar: Die Grenze zwischen Airline und Tech-Unternehmen wird zunehmend fließend.
Nachhaltigkeit & Innovation – Leichter fliegen, besser streamen
In der Luftfahrt ist jedes Kilogramm kostbar. Ein voll ausgestattetes IFE-System kann bis zu eine Tonne zusätzliches Gewicht bedeuten – je nach Flugzeugtyp.
Und das hat direkte Auswirkungen auf den Kerosinverbrauch.
Deshalb setzen Airlines heute auf leichtere, modulare Systeme oder verzichten ganz auf Monitore, zugunsten von BYOD-Lösungen.
JetBlue reduziert die Hardwarelast, Delta investiert in energieeffiziente Displays und Server mit niedrigem Stromverbrauch.
Auch Airbus und Boeing entwickeln Kabinenkonzepte, bei denen Streaming über WLAN das Standardformat ist.
Was wie ein technisches Detail klingt, ist ein echter Nachhaltigkeitsfaktor.
Weniger Gewicht = weniger Treibstoff = weniger CO₂.
Zudem spart die digitale Distribution Unmengen an Plastik (Menükarten, Zeitschriften, Flyer).
Das moderne Entertainment-System ist also nicht nur bequem, sondern auch ein Beitrag zu einer grüneren Luftfahrt.
Das Fliegen der Zukunft – Erlebnis statt Transport
Wohin führt dieser Trend?
Wenn man sich aktuelle Innovationsprojekte anschaut, dann ist klar: Das IFE der Zukunft wird weit mehr können als Filme zeigen.
Schon heute experimentieren Hersteller mit VR- und AR-Erlebnissen, bei denen Passagiere über virtuelle Fenster oder 360°-Reisen interaktive Inhalte erleben.
Dazu kommen Wellness-Programme, Atemübungen, Meditation und personalisierte Musik. Airlines denken nicht mehr nur in Kategorien von Unterhaltung, sondern von Wohlbefinden.
Delta etwa integriert Gesundheits- und Reise-Apps, die Echtzeitdaten über Schlaf, Ernährung oder Jetlag-Tipps liefern könnten. JetBlue arbeitet an Konzepten, bei denen Passagiere ihre Lieblingsinhalte am Boden beginnen und an Bord nahtlos fortsetzen.
Auch Werbung und Shopping werden personalisierter werden: Wer regelmäßig nach Hawaii fliegt, bekommt Angebote für Surfkurse. Wer lieber Serien schaut, erhält exklusive Trailer oder Downloadlinks.
Die Vision:
Ein Flug ist keine Unterbrechung mehr – er ist Teil der eigenen digitalen Welt.
Aus Langeweile wird Erlebnis – und das ist gut so
Fliegen war lange Zeit reine Logistik: Ein Sitz, ein Ziel, eine Uhrzeit.
Heute ist es mehr – ein Erlebnis, das Technik, Komfort und Emotion miteinander verbindet.
Delta und JetBlue zeigen, wie stark Innovation mit Menschlichkeit verknüpft sein kann.
Sie beweisen, dass Technologie nicht distanzieren muss – sie kann Nähe schaffen.
Zwischen Passagier und Airline. Zwischen Himmel und Boden.
Was früher der Bordfilm war, ist heute ein Portal in die persönliche Medienwelt.
Und wenn man ehrlich ist: Das WLAN in 10.000 Metern Höhe ist inzwischen oft stabiler als im heimischen Café.


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